Entstehungsgeschichte
der Lobitzscher Alten-Weiber-Mühle
Von
Gerhard Jage, Lobitzsch
Seit vielen Jahren wird in Lobitzsch, einen Ortsteil von
Uichteritz, der am Rand des Igelsberges am linken Ufer der Saale
liegt, das Fest der "Alten Weibermühle" gefeiert. Dieses
Fest, das eng mit den Traditionen der alten Lobitzscher Windmühle
verbunden ist, zeugt von den Wünschen und Vorstellungen der
Ureinwohner unserer engeren Heimat. Schon lange bevor der
christliche Glaube in die abgeschiedenen, durch riesige Wälder von
der Außenwelt abgeschnittenen Dörfer eindrang, beschäftigten sich
die Menschen mit dem für sie noch unverständlichen Geschehen in
der Natur und dem Werden und Vergehen in ihrem eigenen Leben. Der
Urtext der Weibermühle, der auch heute noch den Hauptinhalt der
Festrede bei jeder Aufführung bildet, deutet darauf hin, dass alles
Bestreben unserer Vorfahren dahin ausgerichtet war, dem Alten und
Vergehenden den Kampf anzusagen. Genauso wie die Natur in jedem Frühjahr
neu mit junger Kraft aus dem alten Erstorbenen hervorbricht, so
versuchten sie, ihren Wünschen dahingehend Gestalt zu geben, indem
sie durch die Weibermühle das Alte beseitigen und Neues schaffen
wollten.
Alle "Alten Weiber", die
ehemaligen Spender des Lebens, sollten durch das Ummahlen in der
Weibermühle in den Besitz ihrer jugendlichen Kraft und Schönheit
gebracht werden.
Die folgenden Auszüge bringen diese Absicht deutlich zum Ausdruck:
Kunstgerecht und wohl
gebaut
wie ihr sie mit den Augen schaut
ist das Getrieb und Räderwerk
für alte Weiber eine Stärk`.
Starke Hüfte, krumme
Hände
wie wird alles so behende,
hat die Mühle sie verschlungen.
Jung kommt sie herausgesprungen.
Große Höcker, krumme Rücken,
euch wird schon zum Entzücken,
geht ihr durch den Mühlengang;
Ihr werdet`s los, seid nur nicht bang.
Die Lobitzscher Weibermühle wird traditionsgemäß aller sieben
Jahre aufgeführt. Wochenlange Vorbereitungen vereinen alle aktiven
Teilnehmer in Proben, Materialbeschaffung und Kostümherstellung.
Das gesamte Dorf gleicht bereits Tage vor Beginn der Aufführung
einem Festplatz. In mühevoller Arbeit entsteht der Originalaufbau
der Webermühle. Nach dem Abschluss der Hauptproben beginnt
Sonntags, 13.00 Uhr der Festakt mit der Eröffnungsansprache durch
den Obermüller. Er stellt seine Gesellen vor und verliest die
Mahlordnung. Die Mahlordnung verlangt vom Ehemann oder nahen
Verwandten des umzumahlenden alten Weibes eine genaue Begründung
des Mahlantrages.
Nach dem Ablauf des Begrüßungszeremoniells
beginnt der Festumzug. Dieser wird angeführt vom Obermüller mit
seinen Gesellen und dem Mühlenwagen. Vor jedem Haus, Grundstück
oder Garten, vor dem ein altes Weib sitzt, wird halt gemacht; das
alte Weib wird von den Müllergesellen auf den Mühlwagen verladen.
Dieser Vorgang wiederholt sich, bis der Wagen voll ist und die Zahl
der alten Weiber mit den Eintragungen im Mahlbuch übereinstimmen.
Nach dem Eintreffen des Festzuges auf dem Festplatz, wird die Mühle
einer Funktionsprobe unterzogen. Angetrieben durch die riesigen Flügel
der Mühle beginnt das laute Rattern des Mahlwerkes. Ist die Probe
erfolgreich verlaufen, wird das erste alte Weib aufgerufen, der
Mahlauftrag verlesen und ihr Gelegenheit gegeben, von ihren Angehörigen
Abschied zu nehmen. Die Müllergesellen schleppen nun das alte Weib
auf die Mühle, wo sie unter Schreien im Mahltrichter verschwindet.
Wenige Minuten danach erscheint sie um 50 oder 60 Jahre verjüngt am
unteren Ausgang der Mühle. Dieser Vorgang wiederholt sich mit den
verschiedensten Einlagen, bis das letzte alte Weib umgemahlen ist
und für jedes alte Weib ein hübsches unverheiratetes Mädchen der
Mühle entsteigt, sich den Zuschauern vorstellt und vom Brautführer
vor die Mühle geleitet wird. Ständige Ehrengäste sind die im
Landkreis Weißenfels bekannten historischen Gestalten, wie der
Lumpenmann von Zeuchfeld und Storpels Ernst und Rese.
Einen besonderen Aufschwung nahm die
Lobitzscher Weibermühle nach 1945. Besonders die Nationale Front
(der Artikel stammt aus den 50er Jahren deshalb musste wohl auch ein
wenig kommunistische Propaganda mit eingefügt werden :o) )
gewann gemeinsam mit allen Massenorganisationen große Teile unserer
Einwohner zur aktiven Mitarbeit. So wirkten allein 1954 über 90 Männer,
Frauen und Jugendliche bei der Aufführung mit. Die 22 durchgemahlenen alten Weiber wurden durch junge Burschen
dargestellt, dieselbe Anzahl junger Mädchen verkörperte die nach
dem Mahlvorgang verjüngten alten Weiber.
Die Veröffentlichung des historischen
Werdeganges der Lobitzscher Weibermühle soll dazu beitragen, alte
Volksbräuche unserer Heimat zum Gemeingut aller werden zu lassen,
vergessene Bräuche wieder neu zu beleben, um somit in Fragen der
sozialistischen Kultur, besonders bei der Entwicklung des schönen
Dorfes, einen entscheidenden Beitrag zu leisten.
Die sozialistische Kultur ist verschwunden, die "Alte
Weibermühle" gibt es immer noch :o).
Der Lobitzscher Kultur- und Traditionsverein hat die Mühle unter
seine Fittiche genommen. Die Vorbereitungen für die kommende Mühle
am 09. bis 11. August 2002 laufen auf vollen Touren
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