Ungewollter
Feuerzauber im Pfarrhaus
Von G. Lamprecht,
Pfarrer in Ruhestand, Auszug aus der Kirchenchronik.
Zu Uichteritz bei Weißenfels stand von 1766
bis 1816 als Pfarrer der zu Freyburg 1738 geborenen Magister Johann
Gottlob Schuberth. Derselbe hatte seine Gymnasialbildung auf der
Domschule zu Naumburg genossen und danach auf den Universitäten zu
Wittenberg und Leipzig Theologie studiert. Die Fakultät zu Leipzig
hatte ihm 1761 die Magisterwürde verliehen. Im Jahre 1770 heiratete er
eine Tochter des kurfürstlich-sächsischen Tapezerey-Fabrikanten
Schinkin in Weißenfels, aus welcher Ehe ihm vier Söhne und fünf
Töchter geboren wurden.
Ein Sohn und eine Tochter sind bald nach der Geburt gestorben.
Der älteste Sohn, Johann Friedrich Wilhelm, geboren 1771, besuchte,
wie seinerzeit der Vater, das Domgymnasium zu Naumburg. In den
Michaelisferien 1789 wollte er der Dorfjugend in Uichteritz einen
feuerspeienden Berg vor Augen führen. Zu diesem Zweck hatte er ein
kleines Säckchen mit Schießpulver in Naumburg gekauft. In dem
Pfarrgarten zu Uichteritz hatte er ein kleines Loch in die Erde
gegraben, einen Teil des Pulvers angefeuchtet in das Loch getan und
zum Teil mit Erde zugedeckt. Da, wo das Pulver sichtbar war, legte er
eine glühende Kohle hinein, die sofort das Pulver entzündete. Dieses
warf die auf ihm liegende Erde ab und sprühte zischend in die Höhe zum
Vergnügen der Zuschauer. Ungefähr die Hälfte des Pulvers hatte er
übrig behalten und, um später einmal das Experiment wiederhohlen zu
können, in der Ofenröhre des Fremdenzimmers in Sicherheit gebracht.
Er war längst wieder in Naumburg, wo er sich mit anderen Dingen,
als mit feuerspeienden Bergen beschäftigen musste. Im Spätherbst hatte
sich der Superintendent von Weißenfels zu einer Kirchen- und
Schulvisitation angesagt. Es war ein kalter Tag, an dem die Ankunft
seiner Hochwürden erwartet wurde. Da ließ denn die Frau Pastorin das
Fremdenzimmer heizen. Nicht lange Zeit, nachdem der dienstbare Geist
Feuer angemacht und in die Küche zurückgekehrt war, wurden nicht nur
die Bewohner der Pfarrei, sonder auch die Nachbarsleute durch ein
Krachen aufgeschreckt, das dem Donner einer in der Nähe abgefeuerten
Kanone ähnlich war.
Im ersten Augenblick wusste niemand sich die Sache zu erklären,
bis man sich des feuerspeienden Berges erinnerte. Als die Pastorsleute
in das Fremdenzimmer stürzten, aus dem der Knall an ihre Ohren
gedrungen war, lagen die Trümmer des Ofens überall im Zimmer umher,
die Fensterscheiben waren zersprungen und sogar in der Decke über der
Stelle, wo der Ofen gestanden, war eine Öffnung entstanden. Da fielen
dem Pfarrer die Spielereien seines ältesten Sohnes mit Schießpulver
ein. Dieser hatte jedenfalls einen Teil des Pulvers in dem Ofen
aufbewahrt gehabt, ohne irgend jemanden etwas davon zu sagen.
Da der Pfarrer in der Erziehung seiner Kinder überaus streng war,
schrieb er sofort an seinen Sohn einen Brief, in dem er demselben die
bittersten Vorwürfe machte. Der Sohn, wohl ahnend, das ihm keine
fröhliche Weihnachten bevorstanden, verschwand von der Schule und aus
seiner Pension in Naumburg, ohne dass er jemandem mitgeteilt hatte,
was ihm zur Flucht veranlasse und wohin er wolle. Der zweite Sohn
widmete sich der Landwirtschaft und der dritte trat in den
österreichischen Heeresdienst, wo er im Jahre 1818 in Cremona im Duell
gefallen ist.
Über das Verbleiben des ältesten Sohnes hatten die Eltern niemals
irgendwelche Nachricht erhalten. Nach der Schlacht bei Jena, am 14.
Oktober 1806, kam eine französische Batterie durch Uichteritz, deren
Kommandeur im Pfarrhaus Quartier nahm. Diesen wurde das inzwischen
natürlich wiederhergestellte Fremdenzimmer eingeräumt, während er den
Abend mit dem Pfarrer in dessen Zimmer zubrachte. Die Unterhaltung
lenkte er bald auf die Familie des Pfarrers, erkundigte sich nach den
Kindern desselben, wo und was diese seien. Da nur zwei Söhne und vier
Töchter erwähnt wurden fragte der Franzose, ob er den niemals Kinder
verloren habe. Diese Frage berührte den Pfarrer sehr unangenehm. Er
beantwortete dieselbe sehr kurz, indem er die zwei verstorbenen Kinder
erwähnte und dann hinzufügte, er habe allerdings noch einen Sohn
gehabt, der sei aber ein Taugenichts gewesen und seit vielen Jahren
verschollen. Der Franzose hörte dann mit weiteren Fragen auf, zog sich
auf das Fremdenzimmer zurück und marschierte am folgenden Tag mit
seiner Batterie nach Norden weiter. Als man nachher in dem
Fremdenzimmer aufräumte, fand man auf dem Tisch einen an den Pfarrer
gerichteten Brief, dessen Anrede "Lieber Vater" lautete.
In den Brief selbst sprach Johann Friedrich Wilhelm Schuberth
seinen tiefen Schmerz darüber aus, dass er ihm den Jugendstreich
selbst nach so vielen Jahren nicht verziehen habe. Deshalb, und noch
besonders auch aus dem Grunde, weil er den Feinden des Vaterlandes
diente, habe er sich nicht zu erkennen geben wollen. Der Schreiber des
Briefes hatte damals den Rang eines Obersten und führte die Batterie
unter dem Namen Joubert. Unter Napoleon I. hat er es dann bis zum
General gebracht.
So wie hier ist die Geschichte des französischen
Generals Joubert um die Mitte des 19. Jahrhunderts von älteren
Bewohnern des Dorfes Uichteritz, die den Pastor Schuberth noch gekannt
haben, erzählt worden.
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