Zwangsdienst auf Rittergütern

Von Dr. A. Schmiedecke

Die Hochadligen Eckhartischen Gerichte zu Goseck hatten im Sommer 1780 erfahren – wer weiß, wer es ihnen angezeigt hatte? - , dass der Sohn des Schmiedemeisters Johann Gottlob Hallbauer in Uichteritz bei seinen Vater in die Lehre getreten war.
Nun könnte man sagen, dass dagegen doch niemand etwas hätte einwenden können. Und doch taten das die genannten Gerichte. Dem Besitzer des Schlosses und Rittergutes Goseck gehörte nämlich das Dorf Uichteritz mit allen seinen Einwohnern. Diese waren die Untertanen des Schlossherren und waren diesem zu Abgaben und Diensten verpflichtet. Zu letzteren gehörte der sogenannte Gesindezwangsdienst.
     Nach dem kursächsischen Mandat vom 6. November 1766 mußte jeder junge Dorfbewohner, der ein Handwerk zu erlernen willens war, zuvor vier Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet haben, davon zwei auf dem zuständigen Rittergute. Diese Bestimmung hatte Schmiedemeister Hallbauer nicht beachtet, und der Weißenfelser Schmiedeinnung wurde zu Vorwurf gemacht, dass sie den jungen Hallbauer als Lehrling aufgenommen habe, ohne von diesem eine Bescheinigung seines abgeleisteten Zwangsdienstes oder der Befreiung von demselben verlangt zu haben. Beide sollten sich also Schuldig gemacht haben und dafür bestraft werden.
Nach dem erwähnten Mandat betrug die Strafe für die Innung in solchem Falle 20 Taler. Das war eine verhältnismäßig hohe Strafe, und ihre Festsetzung beweist, dass die Regierung gewillt war, die Interessen der Rittergutsbesitzer zu fördern.
     Es musste sich nun der Rat der Stadt Weißenfels als die vorgesetzte Behörde der Innungen einschalten, musste den Fall untersuchen und gegebenenfalls die schuldig gewordene Schmiedeinnung zur Bestrafung heranziehen. Diese fühlte sich jedoch nicht schuldig und erklärte der mitbeschuldigte Hallbauer habe als Mitmeister die selben Rechte wie alle anderen Innungsmitglieder und könne demzufolge seinen Sohn in die Lehre nehmen, ohne dass dieser vor offener Lade aufgedungen worden sei. Es genüge eine bloße Anmeldung, die Innung brauche sich also in solchem Falle keine Bescheinigung vorlegen zu lassen.
     Die juristische Fakultät der Universität Leipzig, an die sich der Rat der Stadt Weißenfels um ein Gutachten gewannt hatte, sprach sich dahin aus, dass sich die Bestimmung des Mandats von 1766 nur auf Bauern, nicht auf Handwerkssöhne beziehe und es sich bei dem jungen Hallbauer doch um den Sohn eines Handwerksmeisters und nicht eines Bauern handle.
     Dagegen wandte aber das Patrimonialgericht zu Goseck ein – es stützte sich dabei auf die Feststellung dreier Amtspersonen, des Richters Werner und der Schöppen Zeymer und Kämpfe-, dass der Schmiedemeister Hallbauer ein Bauernhaus, 16 ¾ Acker (fast 37 Morgen) in Uichteritzer und Lobitzscher Flur, drei Stück Rindvieh und zwölf Schafe besitze, dass er seinen Acker mit seinen Kühen selbst bestelle, dass er an Rechten und Pflichten im Dorfe wie jeder andere Nachbar teilhabe und dass er infolge dessen in erster Linie als Bauer gelte und sein Handwerk nur im Nebenberuf treibe, zumal noch im kleinen Dorfe Uichteritz ein zweiter Schmiedemeister tätig sei, für den dasselbe zutreffe.
     Die Schreibereien und Feststellungen gingen weiter. Inzwischen war das Jahr 1785 herangekommen, und der andere Uichteritzer Schmiedemeister, Johann Gottfried Rühlemann, hatte ebenfalls seinen Sohn in die Lehre genommen und die Innung in Weißenfels davon benachrichtigt. Auch der junge Rühlemann hatte keinen Zwangsdienst auf dem Rittergut geleistet, und die Innung hatte keine entsprechende Bescheinigung verlangt.
Jetzt musste die kurfürstliche Regierung in Dresden entscheiden. Und wie entschied sie?
Die Innung sei nicht befugt gewesen, die beiden Schmiedemeistersöhne aus Uichteritz aufzunehmen, da diese den Zwangsdienst nicht geleistet hätten, zu dem sie nach dem Mandat verpflichtet gewesen seien, denn die beiden Meister seinen im Hauptberuf Bauern und nur im Nebenberuf Schmiede.
Da aber die Innung geglaubt habe, im Recht gewesen zu sein und nichts Gesetzwidriges getan zu haben, solle ihr die eigentlich verwirkte Strafe diesmal erlassen sein, aber die entstandenen Gerichtskosten von etwas mehr als 5 Talern sollte von der Innung und den beiden mitbeschuldigten Meistern gemeinsam aufgebracht werden.

     So endete der Streit um die beiden Uichteritzer Schmiedelehrlinge. Im Zeitalter des Feudalismus waren eben viele Bauern Untertanen, ja nicht wenige Leibeigene der Rittergutsbesitzer. Diese wachten darüber, dass ihre alten, längst überlebten feudalistischen Vorrechte erhalten blieben, und der Staat half ihnen dabei.

     Anschließend folgen zwei Bescheinigungen, eine über den abgeleisteten Zwangsdienst, eine über Befreiung von demselben. 

     Daß meines hiesigen Pacht-Beckers, Johann Christoph Nagels, Sohn, Johann August Nagel, bevor derselbe das Böttcher-Handwerck erlernet, seinem obgenannten Vater, der hieselbst ansässig, in der Land-Wirtschafft beygestanden, auch nachhero die nach Innhalt des ins ergangenen gnädigsten Mandats erforderlichen Jahre auf meinem Ritterguthe gedienet;

Solches wird hiermit attestiret.

            Schloß Burgwerben, den 13. Maii 1780

                                                                                                      Ferdinand Wilhelm v. Funcke.“

 

„Demnach Johann Gottfried Rindfleisch, des Böttcher Meisters Johann Heinrich Rindfleischens zu Uichteritz Sohn, nicht nur von hiesiger Gerichtsherrschaft die Hofdienstjahre erlassen, sondern auch die Erlaubniß, daß Böttcher-Handwerk zu erlernen, auf sein geziemendes Ansuchen bekommen, übrigens angestellt gewesen, glaubwürdig beygebrachthat, dergestalt, dass dieser Seite nicht im Wege stehet; Als ist ihm hierüber gegenwärtiges Attest unter Gerichts Hand und Siegel ausgestellt worden.

          Geschehen: Uichteritz den 1. Juny 1798

         Hochadl. Eckhartische Gerichte allhier. Carl Gottlob Vogel.“